Warum sind derzeit so viele Menschen auf der Flucht?

25.01.2016 13:31

Die Gründe dafür, dass derzeit viele Menschen nach Deutschland und Europa fliehen, sind vielfältig und in der Lage in den jeweiligen Herkunftsländern zu suchen. Wir haben einige Länder für die genauere Darstellung ausgewählt:

  • Syrien

Seitdem sich in Syrien im Jahr 2011 eine Protestbewegung gegen Unterdrückung und Zensur durch die Regierung wehrte und Freiheit und Demokratie für alle Syrer forderte, herrscht Krieg. Die Sicherheitskräfte der Regierung unter Präsident Baschar al-Assad gehen mit aller Härte gegen die Opposition vor, verhaften, foltern und töten willkürlich Menschen. Zusätzlich zu der Gewalt gegen diejenigen, die sich auflehnen, ist mittlerweile insbesondere für junge Männer eine neue Bedrohung hinzugekommen: dem Assad-Regime gehen nach dem jahrelangen Krieg die Soldaten aus, weshalb nun junge Männer zum Wehrdienst gezwungen werden. Aber auch andere Milizen erhöhen den Druck; so hat in den syrisch-kurdischen Gebieten die YPG, der syrische Ableger der PKK, ebenfalls eine Wehrpflicht für Männer eingeführt.

Eine weitere Gefahr kommt von anderer Seite: Teile Syriens sind unter der Kontrolle der radikalislamischen Terrororganisation „Islamischer Staat“. Die Terrormiliz erobert mit brutalsten Mitteln immer weiter auch Provinzen, in denen viele religiöse Minderheiten leben. Wer anders denkt als die Terroristen und sich nicht ihrer menschenverachtenden Lehre unterwirft, wird vergewaltigt, gequält, getötet. Kurdische Kämpfer und die syrische Armee versuchen die Terrororganisation zu bekämpfen und ihren Vormarsch zu stoppen. Sie werden von Luftangriffen der USA und ihrer Verbündeten, darunter Frankreich, unterstützt. Auch Russland ist am militärischen Einsatz in Syrien beteiligt, unterstützt aber gleichzeitig das Assad-Regime. Um viele Gebiete tobt ein erbitterter Kampf, der auch immer neue zivile Opfer fordert und weitere Menschen ihrer Heimat beraubt. Als Reaktion auf die Terror-Anschläge in Paris vom 13. November 2015, die von Anhängern des Islamischen Staates verübt wurden, ist ein Einsatz der deutschen Bundeswehr beschlossen worden. Unter anderem werden Tornado-Flugzeuge und Satelliten zur Aufklärung nach Syrien geschickt.

Bis zum heutigen Tage hat die Gewalt in Syrien mehr als 250.000 Menschen das Leben gekostet. 12 Millionen Syrer sind aus Angst vor Verfolgung, Gewalt und Tod geflohen; die meisten von ihnen sind in den nahegelegenen Ländern wie dem Libanon, Jordanien und der Türkei untergekommen. Sie haben die Hoffnung, nach dem Ende des Krieges wieder in ihr Heimatland zurückkehren zu können. Die Flüchtlingslager und Notunterkünfte in diesen Ländern sind jedoch hoffnungslos überfüllt und unterfinanziert. Nahrungsmittel und medizinische Versorgung sind knapp und mehr als die Hälfte aller Kinder hat jahrelang keinen Zugang zu Schulbildung.

Den Syrern, die in ihrem Heimatland geblieben sind, fehlt es mittlerweile an allem, sodass die Situation immer unerträglicher wird. Infolge der seit Jahren von allen Seiten kommenden Bedrohung für Leib und Leben haben etliche Syrer den Glauben an eine Zukunft in ihrer Heimat verloren. Dieses Schicksal teilen sie mit vielen Irakern, in deren Land ebenfalls seit langem Gewalt herrscht und seit einiger Zeit die Terroristen des „Islamischen Staates“ Gebiete überfallen und erobern. Das Leben der Syrer und Iraker steht still, sie können aus Angst vor Gefechten ihre Häuser kaum verlassen, nicht mehr zur Arbeit, Universität oder Schule gehen. Ein Ende ist nicht absehbar, die Flucht erscheint vielen unausweichlich.

Gleichzeitig verbreiten sich über das Internet und die sozialen Netzwerke Bilder und Nachrichten über das Leben in Europa, fernab von Armut, Gewalt und Krieg. Die Menschen haben Kontakt zu Freunden oder Verwandten, die bereits nach Europa aufgebrochen sind und ihnen Hoffnung machen, dass auch auf sie ein Leben in Frieden und Freiheit wartet. Diese Nachrichten und Bilder erreichen aber auch Menschen in anderen Ländern, wie Afghanistan, Pakistan oder Iran, die sich deshalb den Syrern anschließen.

Angewiesen sind die Menschen auf ihrer Flucht auf Schlepper, da sich einige Etappen der Fluchtrouten nur mit ihrer vermeintlichen Hilfe überwinden lassen. Diese nutzen die Not der Menschen aus und werben weiter für die gefährliche Flucht, die schon so viele Menschen das Leben gekostet hat, um Geld zu verdienen.

  • Afghanistan

In Afghanistan terrorisieren die Taliban seit Jahren die Bevölkerung. Immer wieder kommt es zu heftigen Kämpfen mit der afghanischen Regierung, die auch zivile Opfer fordern. Allein im Jahr 2014 starben laut UNO-Angaben 3699 Zivilisten, 6849 wurden verletzt. In den ersten Monaten des Jahres 2015 eskalierte die Lage weiter; bis Mai wurden 974 Zivilisten getötet. Viele Afghanen sind innerhalb ihres Landes vor Gewalt und Tod geflüchtet, allerdings ist Afghanistan mit der Versorgung der ca. 800.000 Binnenflüchtlinge völlig überfordert. Es fehlt an lebensnotwendigen Dingen, an sauberem Trinkwasser, Nahrung und medizinischer Versorgung. Untergebracht sind die Menschen seit Jahren in Slums und Zeltstädten. Mittlerweile ist auch auf afghanischem Gebiet die Terrormiliz „Islamischer Staat“ aktiv und tötete und verletzte bei Anschlägen bereits zahlreiche Menschen.

  • Balkanstaaten

Derzeit kommen auch zahlreiche Flüchtlinge aus den Balkanstaaten nach Europa, insbesondere aus Mazedonien, Serbien und dem Kosovo. Grund dafür sind im Wesentlichen die Nachwirkungen der Jugoslawienkriege in den Neunzigerjahren und die seitdem schwelenden Konflikte. Aber auch Armut, Kriminalität und Perspektivlosigkeit veranlassen viele Menschen zur Flucht. In Mazedonien droht derzeit eine Staatskrise in einen Bürgerkrieg umzuschlagen. Seit Jahren besteht ein Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo. Daneben werden Minderheiten in vielen Regionen des Balkans diskriminiert und fliehen daher in die EU.

  • Eritrea

Aus keinem Land Afrikas fliehen derzeit so viele Menschen wie aus Eritrea. Sie wollen der brutalen Diktatur der ehemaligen Befreiungsarmee von Präsident Isaias Afwerki entkommen. Viel ist über die Situation im Land nicht bekannt, da nur selten unabhängige Journalisten einreisen dürfen. Allerdings lassen UN-Berichte, die auf Informationen von Flüchtlingen beruhen, auf furchtbare Verhältnisse schließen. Es wird von Tötungen berichtet, von willkürlichen Verhaftungen, Folter und Vergewaltigungen. Menschen würden in Straflager, Erdlöcher und Schiffscontainer gesperrt. Der häufigste Fluchtgrund ist jedoch, dass seit Jahren jeder Eritreer zum lebenslangen Militärdienst verpflichtet wird. Männer und Frauen zwischen 18 und 50 können jederzeit eingezogen werden. Als Grund wird eine angeblich drohende äthiopische Invasion genannt. Die meisten Flüchtlinge aus Eritrea sind daher junge Menschen, die nach dem Schulabschluss keine Chance auf eine Ausbildung und freie Berufswahl haben. Stattdessen werden sie in Militärlagern unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht und wie Gefangene gehalten.

Weltweit sind momentan mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht, wobei der größte Teil, 38 Millionen Menschen, innerhalb Ihres eigenen Landes geflohen sind. Laut UN-Berichten sind rund die Hälfte aller Flüchtlinge Kinder.